Folge deiner Leidenschaft!

08.09.2018

Folge Deinen Leidenschaften ...

Diesen Satz hören wir sehr oft in unserem Leben. Vielen junge Menschen, die an der Kippe zum Arbeitsleben stehen und nicht so genau wissen wohin dieser Weg führt wird dies oft als Rat gegeben. "Überlege Dir was Du am liebsten tust, versuche es zu Deinem Lebensinhalt zu machen. Das Leben ist zu kurz! Folge Deinen Leidenschaften!" 

Natürlich hört sich das erstmal sehr gut an und jeder Mensch wünscht sich seinen Lebensunterhalt mit dem zu verdienen, dass Spaß macht und begeistert. Bei näherer Betrachtung hingegen merkt man, es ist gar nicht so einfach wie es sich anhört. Als Jugendliche haben wir schon eingebläut bekommen, dass es viel mehr darauf ankomme in der harten "Realität" und der "wirklichen" Welt zu überleben und dass wir es uns gar nicht vorstellen können wie es da zugehe. Da bleibt kein Platz für solche "Träumereien"! Da ist es nur zu verständlich, dass man bei der Berufswahl eher zu angeseheneren Berufen neigt oder zu Berufen, die gut bezahlt sind. 

Das sollte doch schon ausreichen um später ein erfülltes Leben zu führen oder?

Nein, tut es nicht. Es gilt als bewiesen, dass Berufstätige mehr Erfüllung finden, wenn sie etwas tun, das ihren persönlichen Interessen entgegenkommt. Dies hat eine Metastudie, die knapp einhundert Einzelstudien über fast alle Berufsgruppen hinweg berücksichtigt, ergeben. Es gilt weiters als erwiesen, dass Beschäftigte bessere Ergebnisse erreichen, wenn sie einer Tätigkeit nachgehen, die sie interessiert! Sie leisten bessere Arbeit, sind hilfsbereiter ihren Kolleginnen gegenüber und tendieren zu länger anhaltenden Arbeitsverhältnissen. Gewiss bleibt es ein Wunschtraum, einen Job zu finden, bei dem man nur Dinge tut die einem Spaß machen. Des Weiteren gibt es einen sehr großen Teil der Bevölkerung, deren Lebensumstände es einfach nicht zulassen sich Ihren Wunschjob herauspicken zu können. Auch wenn es uns nicht gefallen mag, die Berufswahl ist sehr realen Sachzwängen unterworfen. Studien zeigen, dass mehr als zwei Drittel der Arbeitnehmer in den USA keine emotionale Bindung zu ihrem Beruf haben. Weltweit sind es sogar nur 13% aller erwachsenen Berufstätigkeiten die emotional an ihren Arbeitgeber "gebunden" sind. Sollen wir dann doch lieber auf die "Anweisungen" die wir bekommen haben anstatt unseren Leidenschaften zu folgen? Ich glaube das nicht.

Es wäre natürlich naiv zu glauben, dass man jede Minute seiner Arbeitszeit gepackt davon ist, aber es ist möglich diese Zeiten zu verlängern. 

Das Zauberwort auf das es ankommt lautet Interesse.

Niemand interessiert sich für alles, und jeder interessiert sich für irgendwas. Es ist also nie verkehrt sich bei der Berufswahl daran zu orientieren was einen begeistert und die Fantasie beflügelt. Es ist natürlich kein Garant für Glück und Erfolg aber verbessert die Chance unheimlich. Wenn man sich erwartet jetzt von der Muse geküsst zu werden und sich ihr Hauptinteressengebiet vor Ihnen auftut wird wahrscheinlich enttäuscht werden. 

Meistens werden Jahre damit verbracht unterschiedliche Interessensgebiete zu erkunden um das Richtige zu finden. Es kann auch passieren, dass zu Beginn einer Tätigkeit das Interesse daran relativ gering ist und sich erst später wächst. Es ist ein Mythos, dass man in einem einmal gewählten Beruf sofort Fuß fassen sollte. Es gibt viele Tätigkeiten, bei denen sich die Finessen, nämlich das, was einen zu begeistern vermag, sich erst dann so richtig zeigen, wenn man eine Weile drangeblieben ist. Viele Dinge kommen einem zu Beginn uninteressant und oberflächlich vor, bis man sich damit beschäftigt und viele Facetten entdeckt an die man zuvor gar nicht gedacht hat. 

Da ist es aber wichtig dabei zu bleiben! Begeisterung für eine Arbeit ergibt sich aus ein bisschen Entdeckungslust, eine Menge Arbeit an sich selbst und ein lebenslanges Vertiefen. Ich bin selbst das beste Beispiel hierfür. Ich habe mich schon als Kind sehr dafür interessiert etwas Neues zu entdecken und Dinge auszuprobieren. Viele Bücher und Technik pflasterten meinen Weg und da ich mich auch für Mathematik interessierte und sehr gut darin war dachte ich ein Studium des Maschinenbaus wäre das Richtige für mich. Nach einiger Zeit stellte sich heraus, dass der Umgang mit Maschinen doch nicht so erfüllende war und ich bekam den Tipp es mal mit Psychologie zu versuchen, weil ich augenscheinlich sehr gut mit Menschen umgehen konnte. Als ich mir das Curriculum und die Arbeitsbeschreibung ansah konnte ich mir schon gut vorstellen das auszuprobieren. Es dauert aber trotzdem Jahre bis ich meine wirklichen Interessen in diesem Bereich entwickelt habe und meine Berufung gefunden habe.

Die meisten Menschen beginnen frühestens ab zwölf oder dreizehn Jahren Neigungen zu beruflichen Interessen zu entwickeln. Hier werden auch noch keine ausgeprägten Begeisterungen in diese Richtung zu erwarten sein. Man entdeckt seine Interessen auch nicht in einer Art Innenschau. Interessen werden vielmehr durch Interaktionen mit der Umwelt ausgelöst! Dieser Weg ist oft kompliziert, langwierig und sehr von Zufälligkeiten bestimmt. Man kann sich ja auch nicht zwingen Gefallen an einer Sache zu finden. Ohne etwas zu experimentieren, kann man nicht feststellen, welche Interessen längerfristig bestehen bleiben und welche nicht. Paradoxerweise merken wir selbst oft gar nicht, dass wir ein bestimmtes Interesse an uns geweckt haben. Dies kann zu Beginn ganz und gar unbewusst geschehen. Daher sollten wir uns nicht jeden Tag zu Beginn eines neuen Unternehmens fragen ob wir nun unsere Berufung gefunden haben. Es gilt vielmehr einen weit langwierigeren und zunehmend aktiveren Prozess zu starten der der Vertiefung unseres Interesses bedeutet und von Erfahrungen begleitet werden, die das Interesse wachhalten. Besonders gut entwickeln sich Interessen innerhalb eines Umfeldes, in dem der Betreffende von ihm nahestehenden Menschen, dazu gehören Eltern, Lehrer, Freunde und Gleichgesinnte, darin bestätigt und bestärkt wird.

Zu Beginn jedes Interesses steht das Entdecken, daher will ich Eltern, zukünftigen Eltern, kinderlosen Paaren jeglicher Altersstufen folgenden Satz mitgeben: 

Erst das Vergnügen, dann die Arbeit! 

Bevor wir uns auf eine Leidenschaft festlegen können und daran feilen unser Können zu verbessern müssen wir erstmal Zeit damit vertrödeln an etwas Interesse zu finden und dieses dann auch wachzuhalten! Wenn das geschieht ist der Weg dranzubleiben zumindest leichter! Am Anfang einer jeder unserer Unternehmungen brauchen wir den Zuspruch und die Freiheit, selbst dahinterzukommen, was uns gefällt. Natürlich brauchen wir kleine Erfolgserlebnisse, Beifall aber auch konstruktive Kritik ist von essentieller Bedeutung um uns wachsen zu lassen. Dies muss aber besonders behutsam gemacht werden um das zarte Pflänzchen nicht zu zertreten. Es dann wieder erblühen zu lassen ist sehr schwierig.

Doch wie gehe ich auf Entdeckungsreise?

Stellen Sie sich zuerst ein paar simple Fragen:

  • Woran denke ich gerne? 
  • Wohin lass ich meine Gedanken schweifen? 
  • Was ist mir wirklich wichtig? 
  • Womit verbringe ich gerne meine Zeit?
  • Was liegt mir besonders am Herzen? 
  • Dann als Kontrast: Was finde ich absolut unerträglich? 

Sie müssen nicht das finden was am besten hinkommt oder genau passt. Eine grobe Richtung reicht zu Beginn! Falls sie aber schon eine recht klare Vorstellung davon haben, mit welcher Tätigkeit sie gerne ihre Zeit verbringen wollen, sollte es nun daran gehen Ihr Interesse daran weiterzuentwickeln! Auf die Entdeckung folgt die Entwicklung! Vergessen Sie aber dabei nicht, dass Interessen ständig neu belebt werden müssen.

Wenn Sie nun auf der Suche nach Ihrer Leidenschaft sind unterstütze ich sie gerne bei der Entdeckung und Ihrer Entwicklung.

Literatur

Mark Allen Morris, »A Meta-Analytic Investigation of Vocational Interest-Based Job Fit, and Its Relationship to Job Satisfaction, Performance and Turnover« (Dissertation, University of Housten, 2003).

Rong Su, Louis Tay und Qi Zhang, »Interest Fit and Life Satisfaction: A Cross-Cultural Study in Ten Countries« (in Vorbereitung).

Christopher D. Nye, Rong Su, James Rounds und Fritz Drasgow, »Vocational Interests and Performance: A Quantitative Summary of over 60 Years of Research«, in: Perspectives on Psychological Science 7 (2012), S. 384-403.

Cal Newport, Die Traumjoblüge -Warum Leidenschaft die Karriere killt, übersetzt von Birgit Schöbitz (Campus, Frankfurt am Main 2013).

William James, Talks to Teachers on Psychology; and to Students on Some of Life's Ideals (Henry Holt and Company, New York 1916), S. 114.

Gallup, State of the Global Workplace: Employee Engagement Insights for Business Leaders Worldwide (Gallup, Inc., Washington, D. C. 2013); www.gallup.de.

Duckworth, A. (2016). GRIT. Die neue Formel zum Erfolg. Mit Begeisterung und Ausdauer zum Ziel. München: C. Bertelsmann Verlag